Im Gegensatz zur stürmischen und dramatischen Ersten ist Brahms' Zweite Symphonie heiter und lyrisch. Die Musik kann als Spiegelbild der idyllischen Landschaft um den Wörthersee in Kärnten verstanden werden, wo Brahms das Werk im Sommer 1877 komponierte. Brahms selbst wies jedoch auf eine von der pastoralen Heiterkeit überdeckte unterschwellige Melancholie hin. "Du hast noch nichts Weltschmerzlicheres gehört", schrieb er seinem Freund Schubring. Trotz der scheinbaren Einfachheit der symphonischen Sprache wird die Komposition mit vielen thematischen Fäden verstärkt und angereichert, die von einem Satz auf den nächsten übergehen. Seit seiner Uraufführung am 30. Dezember 1877 in Wien wird das Werk von Musikliebhabern ganz besonders geschätzt. So schrieb der berühmte Kritiker Eduard Hanslick nach einer Wiener Aufführung: "Sie gehört allen, die sich nach guter Musik sehnen, mögen sie die schwierigste fassen oder nicht."
Mit seiner schlanken Gestalt, dem typischen Haarschopf und dem durchdringenden Blick seiner blauen Augen beherrschte Herbert von Karajan (1908-1989) das Dirigentenpult. Wer ihn jemals live oder zumindest in einer seiner zahlreichen Videoaufnahmen dirigieren sah, konnte erleben, wie von Karajan die Musik zur Religion erhob und sie wie deren Hohepriester in einem fast mythischen Ritus zelebrierte. Herbert von Karajan verkörperte die klassische Musik im allgemeinen Bewußtsein als epochaler Dirigent, Medienstar, Opernproduzent, Gründer und Leiter von Festspielen. Trotz aller ehrgeizigen Projekte und vielfältigen Aktivitäten blieb Karajan der überragende Dirigent mit großem Verständnis für das Orchester- und Opernrepertoire von Mozart bis Schönberg, in dem sich niemand mit ihm messen konnte. Während sich einerseits seine außergewöhnliche Begabung nicht bezweifeln läßt, traf ihn andererseits oft der Vorwurf der Selbststilisierung und kommerziellen Vermarktung seiner Person.
Diese Aufnahme entstand im Januar 1973 in der Berliner Philharmonie.