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Und plötzlich war die Wand weg, die Rückwand. Das mag jetzt wenig aufregend klingen, war aber eine existentiell irritierende Theatererfahrung. Gleich kommen wir darauf zurück. Regisseur Christof Loy ist ein Meister der feinen, psychologischen Kriegsführung, wenn beispielsweise in Donizettis „Roberto Devereux“ das Quartett der vier Protagonisten bis zum letzten Akt hin Schritt für Schritt hinein in Abgründe der Verzweiflung stürzt. In ihrer Verstricktheit zwischen Politischem und Privatem geraten die Figuren in ein letztlich unerträgliches Spannungsfeld zwischen schönen Erinnerungen und der Einsicht, doch alles falsch gemacht zu haben. Und dabei wird verblüffenderweise aus der oft als leere Hülse verkannten Belcanto-Virtuosität plötzlich die Essenz der Erzählung all dieser Widersprüche.
Aber kurz noch zurück zur erwähnten Wand: Das war eine andere Loy-Inszenierung. Man gab den „Prinz von Homburg“, eine Oper von Hans Werner Henze. Jede Menge Hero/innen sowohl hinter als auch auf der Bühne. Eigentlich war diese Bühne nur ein einziger, dunkelgrauer, schräger Raum, der allerdings Alles war, beziehungsweise durch Loys Inszenierung sein konnte: Schlachtfeld und Gefängnis, Psyche und Sarg, Palais und Tribunal. Und plötzlich, im zweiten Akt, ist die hintere Wand weg, Licht strahlt in den Raum. Die unerwartete Öffnung des inneren Raumes durch das Wegfallen einer realen Raumwand traf tief. Die so sparsame wie konkrete Personenführung von Christof Loys Regie produziert Momente wie diese, die seine Inszenierungen – ob nun „Roberto Devereux“ oder „Prinz von Homburg“ – zu bewegenden Schauerstücken des inszenatorischen Minimalismus und zugleich des emotionalen Maximalismus werden lassen.
© Christian Scheib, ORF - Radio Österreich 1

Wissenswertes


  • Christof Loy wird 1962 in Essen geboren und besucht bis 1982 die Folkwang Hochschule.

  • Seine erste eigenständige Regiearbeit ist 1990 Wolfgang Amadeus Mozart gewidmet: Eine „Zauberflöte“ in Stuttgart.

  • Seit 1990 arbeitet er freiberuflich als Regisseur, wobei die Anzahl der Operninszenierungen diejenige des Sprechtheaters von Anfang an bei weitem übertreffen.

  • Wien, Amsterdam, Frankfurt, Stockholm, Zürich und die Salzburger Festspiele zählen zu Christof Loys wichtigsten Spielorten der vergangenen Jahre.


Schon gewusst?


  • Werke der Komponisten Claudio Monteverdi, Wolfgang Amadeus Mozart und Giuseppe Verdi sind – nach Loys eigener Aussage – in deren jeweiliger Herangehensweise an Menschliches und Zwischenmenschliches seine Lieblingskomponisten.

  • Auch Barockoper nimmt einen wesentlichen Platz in Christof Loys Repertoire ein: Georg Friedrich Händels „Alcina“, Christoph Willibald Glucks „Iphigénie en Aulide“ und der besonders minimalistisch konzentrierte „Julio Cesare“ von Georg Friedrich Händel im Theater an der Wien 2007 beispielsweise.

  • Für einige Jahre rund um 2000 ist die Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg für Christof Loy eine Art Heimathafen des Inszenierens.

  • In den Jahren zwischen 2003 und 2008 wird Christof Loy dreimal in der Zeitschrift „Opernwelt“ zum „Regisseur des Jahres“ gewählt.

  • Die Inszenierung von „Peter Grimes“ von Benjamin Britten 2015 am Theater an der Wien wurde mit dem International Opera Award für die beste Neuproduktion des Jahres prämiert.

  • 2017 wird Christof Loy für seine Inszenierung der Uraufführung der Oper „The Exterminating Angel“ von Thomas Adès bei den Salzburger Festspielen mit der Auszeichnung „Director of the Year“ geehrt.


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