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Juni 1979, Stift St. Florian in Oberösterreich. Unter der Kirchenorgel liegt Bruckners Grab, in der Stiftskirche wird Bruckner geprobt, die 8. Symphonie. Herbert von Karajan verlässt seinen Platz am Pult vor den Wiener Philharmonikern immer wieder, ein Assistent übernimmt. Karajan steuert durch das Kirchenschiff, hält inne und lauscht dem Zusammenklang. Links, rechts, in der Mitte, ganz hinten. Geht zum Aufnahmewagen und diskutiert oder kontrolliert den Ton der Aufnahme, das Bild der Fernsehproduktion. Was für ein Controlfreak - so erschien es zumindest dem beobachtenden, damals noch jugendlichen Autor dieses Textes -, so als gäbe es kein involviertes Berufsfeld, das er nicht besser zu beherrschen meint als selbst die Profis, von Tontechnik und Aufnahmeleitung zu Regie und Kamera. Bedenkt man, welche Fülle an Berufen von Theaterdirektor bis Opernregisseur in Wien, Salzburg, Berlin und letztlich weltweit der Dirigent Herbst von Karajan in seinem Leben ausübte, welch mediale Präzision und Perfektion er verfolgte, dann traf diese kleine St. Florianer Beobachtung wohl tatsächlich ein Lebenscharakteristikum dieses Künstlers. Mit Akribie und Energie verfolgt Karajan neben vieler legendärer live-Konzerte und Opernproduktionen vor allem auch medial die künstlerische Gestaltung seines Wirken und sieht in den vielen Film- und TV-Produktionen, in denen er teils mit anerkannten Künstlern kooperiert, teils selbst neben dem Dirigat Rollen wie Regie oder Beleuchtung übernimmt, sein wahres Vermächtnis. Nicht zuletzt auf Grund dieser Dokumente ist Herbert von Karajan bis heute eine schillernde und bewunderte Figur der Musikwelt des 20. Jahrhunderts.

Die wahrhaft sensationellen Momente in dieser Probenphase 1979 in St. Florian aber waren die jeweiligen Momente der Rückkehr Karajans ans Dirigentenpult: Als hätte das Orchester davor nur geflüstert, stülpte sich auf ein Handzeichen hin der Klang wie von innen nach außen. Die Hörner strahlten plötzlich gleißend, die Geigen schwelgten abgründig. Und wenn man weiß, dass es ausgerechnet ebenfalls die 8. Symphonie von Bruckner war, die Karajan exakt 35 Jahre früher in Oberösterreich dirigierte, also 1944, und zwar mit dem „Reichs-Bruckner-Orchester“, das für den „Reichssender St. Florian“ eingesetzt werden sollte und dessen große Zukunft Karajan aufbauen sollte, dann ist, ohne dass es eines weiteren Kommentares bedürfte, einer der oft diskutierten und widersprüchlichen Aspekte von Karajans Karriere ebenfalls angedeutet.

© Christian Scheib, ORF - Radio Österreich 1

Wissenswertes


  • 1938 Debut an der Berliner Staatsoper mit Beethovens Fidelio

  • 1946 Beginn der Zusammenarbeit mit dem Musikproduzenten Walter Legge

  • 1955 bis 1989 Chefdirigent der Berliner Philharmoniker als Nachfolger von Wilhelm Furtwängler und Sergiu Celibidache

  • 1957 bis 1964 künstlerischer Leiter der Wiener Staatsoper

  • 1960 Eröffnungspremiere des Großen Festspielhauses

  • 1956 bis 1960 Künstlerischer Leiter der Salzburger Festspiele

  • 1962 Beginn der langjährigen Zusammenarbeit bei Operninszenierungen mit dem Bühnenbildner Günther Schneider-Siemssen

  • 1963 Eröffnungskonzert der neuen, von Hans Scharoun geplanten Berliner Philharmonie

  • 1964 bis 1988 Mitglied des Direktoriums der Salzburger Festspiele

  • 1965 Beginn der Zusammenarbeit mit dem französischen Regisseur Henri-Georges Clouzot für Musikfilme der UNITEL

  • 1967 Gründung der Salzburger Osterfestspiele und deren Leitung bis zum Lebensende

  • 1987 Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker

  • 1989 Letztes Gastspiel in New York mit den Wiener Philharmonikern


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