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Wer in den 1980er Jahren eine Performance des katalanischen Theaterkollektivs „La Fura dels Baus“ besucht, muss noch eine Erklärung unterschreiben, die Haftung für allfällige Verschmutzungen und Verletzungen selbst zu übernehmen.
Das Publikum verlässt die Vorstellungen der rein männlichen Truppe dann gelegentlich wirklich durchnässt oder mit Mehl bestäubt und ist vielleicht sogar vor einem Darsteller geflüchtet, der mit der Motorsäge durch die Menge läuft; auf jeden Fall hat es einen unvergesslichen Abend hinter sich.

Mittlerweile haben „La Fura dels Baus“ und ihr Mastermind, der Regisseur Carlus Padrissa, die Lust am Schockieren verloren. Padrissa meint in einem Interview, das Leben habe eben Stationen und er würde jetzt lieber durch Stille und Kontemplation schockieren.
„La Fura dels Baus“ ist der Riesenschritt gelungen von der Straßenkunst in die Tempel der Hochkultur und vom physischen zum digitalen Theater.

Umstritten sind sie aber auch heute noch: Auf der beständigen Suche nach dem unmittelbaren Kontakt mit dem Publikum gestalten sie sehr zeitgemäße multimediale Inszenierungen, die vor allem visuell überwältigend sind. Dadurch gerät aus der Sicht so mancher Puristen die Musik in den Hintergrund; dabei betont Padrissa, dass für ihn gerade die Musik immer das Wichtigste ist, der Leitfaden, der alle anderen künstlerischen Ebenen zusammenhält.


© Ulla Pilz, ORF - Radio Österreich 1

Wissenswertes


  • 1959 wird Carlus Padrissa im kleinen Ort Balsareny in der Provinz Barcelona geboren

  • 1979 Gründung von „La Fura dels Baus“ durch Carlus Padrissa und seine Kindheitsfreunde

  • 1992 Durchbruch mit der Gestaltung der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Barcelona

  • 1999 erste große Operninszenierung (Berlioz, „Fausts Verdammnis“) bei den Salzburger Festspielen

  • weitere wichtige Inszenierungen unter anderen Mozarts „Zauberflöte“, Ruhrtriennale 2003, Wagners „Ring“, Valencia ab 2007, Stockhausens „LIcht“-Zyklus, Köln 2011

  • Neben Operninszenierungen weiterhin auch gigantische Open Air-Spektaktel, etwa 2013 in München zum Verdi- und Wagner-Jahr

  • Heute arbeitet die Gruppe international und besteht aus sechs Regisseuren, neben Carlus Padrissa sind das Jürgen Müller, Àlex Ollé, Miki Espuma, Pep Gatell und Pera Tantiña


Schon gewusst?


  • Der Name der Gruppe bedeutet „Das Frettchen von Els Baus“, wobei der Torrent dels Baus ein ausgetrockneter Bachlauf in ihrem Heimatort ist, „Baus“ aber auch ein Dialektwort für Abgrund; auch die Assoziation Fura-Furor ist durchaus erwünscht

  • „La Fura dels Baus“ charakterisiert sich selbst als „Exzentrik, Innovation, Anpassung, Rhythmus, Evolution und Überschreitung“

  • Padrissa beschreibt seinen Werdegang gern anhand eines Fußballbeispiels: „Zwischen zwanzig und dreißig kannst du als Stürmer spielen, zwischen dreißig und fünfunddreißig als Verteidiger, zwischen fünfunddreißig und vierzig am ehesten noch als Torwart, und nach vierzig ist es besser, dass du Trainer wirst.“

  • Die Mitglieder von „La Fura dels Baus“ betrachten einander als Familie, vergleichen sich mit elternlosen Zirkuskindern, denen Loyalität über alles geht

  • Der Bühnenbildner Roland Olbeter über Padrissa. “Carlus ist positiv, aber er ist wie ein Pitbull. Wenn er sich in etwas verbeißt, dann, lässt er nicht mehr los“


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