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Als am 22. August 1920 der erste „Jedermann“ vor der monumentalen Kulisse des Salzburger Doms über die Bühne ging, war dies die Geburtsstunde eines Festivals, das fast 100 Jahre danach nichts an Faszination und Strahlkraft verloren hat.

Schlagwörter wie „bedeutendstes und hochkarätigstes Festival der Welt“, „Bühne für die besten Künstlerinnen und Künstler“, „Maßstab der Mozartpflege“, „Schauplatz der Reichen und Schönen“, „Wirtschaftsmotor und Umwegrentabiliät“ versuchen eine Umschreibung dieses Events.

Zwei Jahre nach dem Ersten Weltkrieg sind die Salzburger Festspiele nicht aus Reichtum und Überfluss entstanden, sondern aus Mangel und Wunsch nach eigener Identität. Als „Gründerväter“ gelten Max Reinhardt, Hugo von Hofmannstahl, Richard Strauss, Franz Schalk, Heinrich Damisch, Friedrich Gehmacher und der Salzburger LH Franz Rehrl.

Salzburg sollte geistiges und kulturelles Zentrum von Europa werden, eine „Hauptstadt Europas“, ja idealerweise eine Identifikationsfläche für einen neuen, friedlichen Mini-Staat Österreich mit Festspielen als Friedenswerk im Spannungsfeld zwischen Hochkultur und wirtschaftlicher Stabilität.
Heute sprechen die Zahlen der Festspielstatistik eine deutliche Sprache: 2800 Arbeitsplätze und 77 Millionen Euro Abgaben und Steuern sind Kennzahlen für ein florierendes Unternehmen.

Die Salzburger Festspiele haben sich heute längst ein Image erarbeitet, Garant für höchste Ansprüche in der Programmierung und Besetzung, aber auch Wirtschaftsfaktor erster Güte zu sein.


© Gertrud Mittermeyer, ORF - Radio Österreich 1

Wissenswertes


  • Der Schriftsteller Hermann Bahr, Ehemann der berühmten Wagner-Sängerin Anna Mildenburg, befreundet mit Hofmannsthal, Reinhardt und Richard Strauss, möchte Salzburg als geistiges und kulturelles Zentrum etablieren und wird insgeheim zu einem der geistigen Väter der Salzburger Festspiele.

  • Dem großen Wagner-Dirigenten Hans Richter schweben Mozart-Festspiele in Salzburg nach dem Vorbild der Wagner-Festspiele in Bayreuth vor.

  • Das erste Festspielhaus sollte Anfang der 1920er Jahre in Hellbrunn entstehen.

  • Während des Nationalsozialismus verkommen die Festspiele zu einem Musikfest unter der Hakenkreuzfahne, jüdisch gesäubert und deutsch.

  • 1951: Bert Brecht sollte ein Stück („Totentanz“) für die Festspiele schreiben, als Ersatz für den Hofmannsthal’schen „Jedermann“.

  • 1960: Das Große Festspielhaus nach den Plänen des Architekten Clemens Holzmeister wird mit der Oper „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss unter der Leitung von Herbert von Karajan eröffnet.

  • 1957-1989 Ära Karajan – eine glanzvolle Zeit geht zu Ende - auf der Homepage der SF ist dieser Abschnitt übertitelt mit „Der letzte absolutistische Herrscher und seine Weltstars“.

  • 1990-2001: Gérard Mortier, Hans Landesmann und Peter Stein gelingt eine Modernisierung des Festivals - Provokationen und Debatten inklusive. Devise: „Grenzen erweitern, Strukturen aufbrechen“

  • 2006: Peter Ruzicka bringt anlässlich des Mozartjahres alle 22 Mozart Opern auf die Bühne und beschert den Festspielen einen Sommer der Rekorde.

  • 2012: Die Festspiele haben eine neue Mission: die von Intendant Alexander Pereira ins Leben gerufene Reihe Ouverture spirituelle soll neben der christlichen Tradition jedes Jahr eine andere Weltreligion und ihre Musik im Sinne der Verständigung, der Toleranz und des Dialogs der Religionen ins Zentrum stellen.


Schon gewusst?


  • Stefan Zweig, einer der erfolgreichsten Autoren Europas in den 1920er und 30er Jahren, wohnhaft in einer prächtigen Villa auf dem Salzburger Kapuzinerberg, schaffte es zu Lebzeiten nicht, bei den Festspielen aufgeführt zu werden. Sowohl Max Reinhardt als auch Hugo von Hofmannsthal verstanden es, das erfolgreich und dauerhaft zu verhindern.

  • 1972 Skandal „Notlicht“ – Thomas Bernhards Stück „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ erlebte nur die Premiere und wurde danach nicht mehr aufgeführt, weil totale Finsternis, also auch Abschalten des Notlichts, nicht den Sicherheitsvorschriften des Landestheaters entsprach. Claus Peymann mitsamt seinem Team verweigerten alle weiteren Aufführungen, was von Thomas Bernhard unterstützt wurde.

  • Im Jahr 1985 hing im Festspielhaus der Haussegen schief. Grund für eine handfeste ‚Auseinandersetzung lieferten zwei barbusige Hexen in Verdis „Macbeth“. Der italienische Regisseur Piero Faggioni quittierte den stürmischen Besuch des damaligen Generalssekretärs Otto Sertl auf der Opernbühne mit sechs Ohrfeigen und das über ihn verhängte Hausverbot hatte ein gerichtliches Nachspiel.

  • 1987 war George Taboris Inszenierung von Franz Schmidts „Buch mit sieben Siegeln“ schon nach der Generalprobe gescheitert. Aus Angst vor „Entweihung“ des kirchlichen Raums durch „kompromittierende Szenen“ hatte man die szenische Aufführung verboten. Da halfen auch die bittenden Worte um „Toleranz und Liberalität“ des damaligen Generalsekretärs Franz Willnauer nichts. Die Kollegienkirche wurde von höchster kirchlicher Instanz für die Inszenierung gesperrt.

  • 2001 endete die außergewöhnliche und innovative „Ära Mortier“ mit einem veritablen Skandal. Laut Kritik und Publikumsreaktionen inszenierte Hans Neuenfels die Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauß (Sohn) zu Tode, aber Gérard Mortier fühlte sich glücklich: „Es ist Theater, wie es sein sollte: aufwühlend, provokativ und herausfordernd!“


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