Die 6. Symphonie in h-Moll entstand im Todesjahr Tschaikowskys 1893; ihre Uraufführung in St. Petersburg überlebte er nur um neun Tage. Er selbst schätzte sie als einen Höhepunkt seines Schaffens und schrieb Freunden über sie: "In diese Symphonie legte ich ohne Übertreibung meine ganze Seele." Der noch heute gebräuchliche Titel "Pathétique" wurde der Symphonie von Tschaikowskys Bruder Modest gegeben und beschreibt ihren Charakter wohl am treffendsten: Symphonie der leidenschaftlichen Empfindung. "Ich liebe sie, wie ich nie zuvor auch nur eine einzige von meinen Schöpfungen geliebt habe", schrieb der Komponist einem Freund. Und die Welt tat es ihm gleich. Trotz aller Brillanz und Spannung seiner Symphonien Nr. 4 und 5 ist die "Pathétique" zweifellos das Werk eines Mannes, der nicht nur die symphonische Form und Sprache, sondern schließlich auch seine eigenen heftigen Emotionen meisterlich beherrscht.
Mit seiner schlanken Gestalt, dem typischen Haarschopf und dem durchdringenden Blick seiner blauen Augen beherrschte Herbert von Karajan (1908-1989) das Dirigentenpult. Wer ihn jemals live oder zumindest in einer seiner zahlreichen Videoaufnahmen dirigieren sah, konnte erleben, wie von Karajan die Musik zur Religion erhob und sie wie deren Hohepriester in einem fast mythischen Ritus zelebrierte. Herbert von Karajan verkörperte die klassische Musik im allgemeinen Bewußtsein als epochaler Dirigent, Medienstar, Opernproduzent, Gründer und Leiter von Festspielen. Trotz aller ehrgeizigen Projekte und vielfältigen Aktivitäten blieb Karajan der überragende Dirigent mit großem Verständnis für das Orchester- und Opernstandardrepertoire von Mozart bis Schönberg, in dem sich niemand mit ihm messen konnte. Während sich einerseits seine außergewöhnliche Begabung nicht bezweifeln läßt, traf ihn andererseits oft der Vorwurf der Selbststilisierung und kommerziellen Vermarktung seiner Person.
Diese Aufnahme entstand 1973 in der Berliner Philharmonie.