Ravel, Händel, Elgar, Strawinsky, ein Ausschnitt aus Puccinis "Turandot", eine Bassklarinetten-Hommage an George Gershwin, Glissandi, Anklänge an Musicals, Filmmusik und Gilbert & Sullivan - Unsuk Chin ist eine Meisterin der Stilparodie, aber auch viel mehr als das: Sie ist eindeutig auf allen Straßen und Wegen der Musikgeschichte zu Hause. Doch das musikalische Haus, das sie aus den Bausteinen der Vergangenheit und der Gegenwart errichtet, ist eindeutig ihr eigenes Haus, das sie entworfen hat und das selbstbewusst ihre unverwechselbare Individualität und ihren Stil verkündet. Es ist ein durch und durch modernes Haus, in dem jeder willkommen ist, der Musik liebt. "Ich wollte keine Musik schreiben, die mehrere Seiten an Erklärungen braucht, um verstanden zu werden", sagt sie über ihre erste Oper, "Alice im Wunderland".
Unsuk Chin, 1961 in Seoul, Korea, geboren, war schon immer fasziniert von Lewis Carrolls Märchen für Kinder und Erwachsene. Regisseur Achim Freyer, der mit seinen Inszenierungen seit Jahrzehnten Maßstäbe setzt, sieht Chins Oper als eine Sammlung von "Traumsequenzen", für die er imaginäre Räume geschaffen hat: Akrobaten stellen mit Hilfe von Flaschenzügen die magischen Figuren aus Alices Welt dar und deuten die Handlung pantomimisch und mit Hilfe von bunten Masken und Requisiten an. "Alptraumhafte Visionen des Mädchens. Traum, Realität, Hyperrealität verschmelzen miteinander, alles ist Theater, Verwandlung", sagt Freyer. Die Figuren selbst werden von Sängern gesungen (herausragend: Andrew Watts als Weißes Kaninchen), die in einer Reihe vorne auf der Bühne sitzen und Lewis Carroll-Masken tragen. Im Mittelpunkt steht Alice, die von der beeindruckenden Sally Matthews dargestellt wird. "Sie muss alles mit ihrer flexiblen, betörenden und charakteristischen Sopranstimme machen. Mit virtuoser Leichtigkeit wechselt sie von Aufmüpfigkeit zu Angst, Flirt, Beklemmung, Ironie, Tragik und Verführungskunst." (Reinhard J. Brembeck, Süddeutsche Zeitung).
Unterstützt wird Matthews vom dynamisch und transparent aufspielenden Orchester der Bayerischen Staatsoper unter Kent Nagano, der die Uraufführungen mehrerer Werke von Chin dirigierte und ursprünglich plante, "Alice im Wunderland" in Los Angeles zu produzieren. Einer der großen Momente des Werkes ist der Auftritt von Dame Gwyneth Jones als Herzkönigin, "schillernd wie ein Diamant, überwältigend wie ein Naturphänomen ... unbestritten der Höhepunkt dieser Eröffnungsinszenierung ... die vor phänomenalen Sängern und phänomenalen Bildern nur so strotzt". (Eleonore Büning, F.A.Z.) Einer der Höhepunkte der Münchner Opernfestspiele 2007, Unsuk Chins "Alice im Wunderland", ist zeitgenössische Musik in ihrer zugänglichsten und publikumswirksamsten Form.