"Ich werde nie eine Symphonie komponieren! Du hast keinen Begriff davon, wie es unsereinem zu Mute ist, wenn er immer so einen Riesen hinter sich marschieren hört", schrieb Johannes Brahms Anfang der 1870er Jahre an einen Freund. Lange Zeit hat Brahms das symphonische Erbe Beethovens als übermächtig und blockierend empfunden. Obwohl er seit 1850 an der Ersten Symphonie gearbeitet hatte, beendete er sie erst im Jahre 1876. Das Werk kann den Einfluß von Brahms' großem Vorgänger nicht verleugnen - vor allem das Schlußthema zeigt eine offensichtliche Ähnlichkeit zur "Ode an die Freude" aus Beethovens Neunter (Man nannte Brahms' Erste oft "Beethovens Zehnte").
Während sich im ersten und letzten Satz konzentrierte Tonmassen eindrucksvoll entfalten, sind die beiden mittleren Sätze prägnanter und transparenter orchestriert. Zwischen den vier Sätzen bestehen auch motivische harmonische geprägte Verbindungen, die jedoch eher unterschwellig spürbar sind.
Mit seiner schlanken Gestalt, dem typischen Haarschopf und dem durchdringenden Blick seiner blauen Augen beherrschte Herbert von Karajan (1908-1989) das Dirigentenpult. Wer ihn jemals live oder zumindest in einer seiner zahlreichen Videoaufnahmen dirigieren sah, konnte erleben, wie von Karajan die Musik zur Religion erhob und sie wie deren Hohepriester in einem fast mythischen Ritus zelebrierte. Herbert von Karajan verkörperte die klassische Musik im allgemeinen Bewußtsein als epochaler Dirigent, Medienstar, Opernproduzent, Gründer und Leiter von Festspielen. Trotz aller ehrgeizigen Projekte und vielfältigen Aktivitäten blieb Karajan der überragende Dirigent mit großem Verständnis für das Orchester- und Opernrepertoire von Mozart bis Schönberg, in dem sich niemand mit ihm messen konnte. Während sich einerseits seine außergewöhnliche Begabung nicht bezweifeln läßt, traf ihn andererseits oft der Vorwurf der Selbststilisierung und kommerziellen Vermarktung seiner Person.
Diese Aufnahme entstand im Januar 1973 in der Berliner Philharmonie.